Ich wachte morgens auf, es war ein Donnerstag gegen halb zehn
Frisch gewaschen, rasiert, gekämmt undsoweiter, bereit auf die Straße zu gehn
Sah ich noch schnell aus dem Fenster und da war mir eigentlich klar
Dass dieser Tag von vorn’herein schon total im Eimer war
Kein Regen, kein Schnee, keine Sonne, kein Wind
Alles grau, schwül und stickig, die Fensterscheiben staubblind
Eine Stadt, in der Alles stinkt, wo Alles spuckt und kracht und raucht
Eine Stadt, deren Namen man nicht zu kennen und die man nie gesehen zu haben
braucht
Langeweile
Ist ausgebrochen
In der Stadt
Kommt angekrochen
Und sie hat
Keine Eile
Ich beschloss dann doch gegenüber in den kleinen Laden zu geh’n
Um billig, aber gut, ein Tässchen Kaffee zu trinken im Steh’n
Ein Schaufenster mit Fernsehern drin liegt auch gleich nebenan
Wo man das Programm zwar sehr gut sehen, aber den Ton nicht hören kann
Ein Politiker auf dem Bildschirm sprach, klappte den Mund auf und zu Der Mann neben mir verstand kein Wort und glotzte auf’s Bild wie 'ne Kuh
Ein and’rer bekam einen Lachkrampf, im Gesicht schon ganz rot und schweißnass
Ein Taubstummer, der dem Politiker jedes Wort von den Lippen las
Eine Straße weiter an der Haltestelle sah ich die Nachbarstochter steh’n
So um die vierzehn, aber sehr reif für ihr Alter und nicht gerade schön
Ich fragte: «Wie ist das wehrte Befinden, zu Hause alles gesund und froh?»
Sie meinte: «Ich soll nicht mit Ihnen sprechen, mein Vater will das so!»
Ich sagte: «Hör ruhig auf deinen Vater, das ist ein sehr kluger Mann
Ich bin ein Strolch, das hat er erkannt, keine Angst, dich fass ich nicht an!
Geh schön nach Hause zu deinen Papi, sag, ich hätte dich geschickt
Sag ihm, sobald er sich blicken lässt wird er von mir gef… ragt,
ob er nicht auch mal jung gewesen ist.»
Langeweile
Ist ausgebrochen
In der Stadt
Kommt angekrochen
Und sie hat
Keine Eile
Ich ging durch den Fußgängertunnel zum Konrad-Kennedy-Platz
Kam 'raus aus dem Tunnel und schon war ich wieder drin mit einem Satz
Plötzlich überall Leute, die rannten und weinten und schrien, ich weiß nicht
mehr was
Berittene Polizisten dazwischen mit Knüppeln und Tränengas
Von hinten gestoßen rannte ich auch, immer die Angst im Genick
Und rettete mich mit ein paar Ander’n in das Tor irgendeiner Fabrik
Wir ruhten uns aus, es war gerade kein Polizist in der Nähe, bloß
Kam jetzt der Pförtner aus seinem Kasten mit 'ner Krücke auf uns los
Dieser Pförtner, Kriegsinvalide, hatte nur noch einen Arm
Ein Bein, ein Auge, ein Ohr und einen Platikdarm
Und während ihm aus dem rechten Ärmel ein krummer Eisenhaken stand
Besaß er dafür auf der linken Seite sechs Finger an der Hand
Er brabbelte was von: «…verrecken, …vergasen», den ganzen Stuss
Die Scheiße, die sich unsereiner seit Jahren immer wieder anhören muss
Und während er noch tobte stand hinter ihm plötzlich ein Bulle, der den Knüppel
schwang
Der schlug zu, dass die silberne Schädelplatte als sie barst, wie die
Freiheitsglocke klang
Langeweile
Ist ausgebrochen
In der Stadt
Kommt angekrochen
Und sie hat
Keine Eile
Ich floh in den Stadtpark, setzte mich und wischte mir erstmal den Schweiß
Und da saß einer mit ner Gitarre und spielte: «Don't Think Twice»
Ein dicker Mann, der gutmütig wie ein satter Bernhardiner aussah
Hörte ihm zu und ich döste ein, weil hier alles so friedlich war
Ich träumte, dass ich Bob Dylan fragte, was er von meinen Liedern hält
Und obwohl er sich erst wand wie ein Aal, hätte er mir vielleicht was erzählt
Aber da war plötzlich der Parkwächter da und weckte mich ziemlich roh
Meine Frage wird wohl nie beantwortet werden — ist vielleicht auch besser so Ich döste noch vor mich hin, hatte die Idee und dann
Wusste ich wie ich sämtliche Kriege auf der Stelle beenden kann
Und ich hätte auch alles getan, doch zu meiner Schande muss ich gesteh’n
Dass ich alles vergaß, weil ich Zahnschmerzen bekam und da helfen mir keine
Ideen
Ich rannte mit dem Kopf gegen einen Baum, halb wahnsinnig vor Schmerz
Ich besoff mich und betäubte den Zahn, mein Hirn, meine Seele, mein Herz
Schlich wieder weiter durch die Straßen, die Füße wurden mir schwer
Es war dunkel geworden, der Tag zu Ende, und ich wusste von gar nichts mehr
Langeweile
Ist ausgebrochen
In der Stadt
Kommt angekrochen
Und sie hat
Keine Eile
Ich tastete mich langsam an den Häuserwänden entlang
Und stand dann vor einer Art Puff mit Wein und Krawattenzwang
Ein Besoffener tauschte meine Zigaretten gegen seine Krawatte ein
Ich band sie um, bezahlte Eintritt und ging voller Erwartung rein
Die Strpteasetänzerin hüpfte über die Bühne wie ein Schrat
Und ich wunderte mich, dass sie dabei nicht auf ihren Busen trat
Und ich beschwerte mich und der Kellner meinte: «Dass sie schön ist behaupten
wir ja nicht
Dafür liegt ihr Intelligenzquotient bei hundertneunzig und darauf legt man
heute wieder viel mehr Gewicht!»
Ich kam nach Hause als draußen ein dreckiger, warmer Regen fiel
Wieder ein Tag kaputt, ohne Freude, ohne Sinn, ohne Ziel
Und bis alles so läuft, wie ich’s haben will werden sicher noch Jahre vergeh’n
Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, mal bessere Tage zu seh’n
Ich denke, ich werde irgendwann noch vernünftige Dinge tun
Zum Beispiel, meinen Samen auf die Spermenbank tragen ab nun
Und nicht sterben bis jedes Kind, das du auf der Straße siehst
Von meinem Blut und nach meinem Bilde angefertigt ist
Übrigens habe ich neulich noch eine Wahrsagerin befragt
Wie’s denn mit meinem Ende stünde und darauf hat sie gesagt
Ich dürfte als ur-uralter Greis, Haar und Bart eisgrau
In meiner Badewanne sterben, in den Armen einer schönen Frau
Langeweile
Ist ausgebrochen
In der Stadt
Kommt angekrochen
Und sie hat
Keine Eile