Из альбома: Nah dran

Ich würde gern, Herr Ober, einen Krabbencocktail essen.
Wenn's aber wahr ist, was man so alles hört und liest,
sollte ich das vielleicht am besten gleich vergessen,
schon weil es mir auch irgendwie den Appetit vermiest.
In LKWs verladen, nach Marokko transportiert,
dort gepult, dann tief gekühlt wieder zurückgefahren,
- oft wochenlang - und hier als frische Ware deklariert.
Vorher noch für die sechstausend Kilometer lange Reise
mit Konservierungschemikalien satt durchtränkt.
Vier Millionen Liter Sprit werden im Jahr über die Preise
dann als Kosten auf mich, den Konsumenten, umgelenkt.

Refrain:
Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen,
kannst du versuchen, nicht versprechen.
Aber damit geht es dir
so wie den meisten hier.

Das Ribeye-Steak aus Argentinien hätt' ich gern genommen.
Herr Ober, mürbe, abgehangen, medium-rare gegrillt.
Merke aber schon, dass mir da gleich Bedenken kommen.
Jetzt erscheint vor meinem inn'ren Auge dieses Bild:
Feuerspeiend brennen Milliarden Rinder - Ungeheuer -
Löcher im Minutentakt mit heißem Atem - größer noch
als Fußballfelder - in die Polarkappen. Wiederkäuer
würgen jeden Bissen, den sie fressen, vier mal wieder hoch,
weil sie vier Mägen haben, wogegen nichts zu sagen wäre,
rülpsten sie dabei nicht noch Mega-Tonnen von Methan
zu all den Treibhausgasen in die Atmosphäre.
Und ich mit meiner Gier nach Fleisch bin auch noch schuld dran.

(Refrain)

Ich könnte jetzt, Herr Ober, doch auch mal ein Schnitzel essen
von einer deutschen Sau. Davon gibt's viele und man spricht
von derzeit dreißig Millionen, und die sollen fressen,
kaum Fett, viel Fleisch ansetzen, und ihr Gesamtgewicht
ist weit höher als das aller Menschen, die in Deutschland wohnen.
Tropenwälder werden täglich abgeholzt, verbrannt,
um dort dann Viehfutter anzupflanzen - Sojabohnen -,
die Ureinwohner, fortgejagt von ihrem eignen Land,
verhungern, atmen Pestizide ein, und ihre Kinder
erwartet oft ein zu früher und qualvoller Tod.
Wir hier mästen uns, unsre Hühner, Schweine, Rinder
mit menschenblutgedüngtem, eiweißreichem Sojaschrot.

(Refrain)

Vielleicht, Herr Ober, werde ich draußen auf der Terasse
einen Expresso trinken, aber auch nur wenn es kein
Produkt von Kinderarbeit ist. Es sollte in der Tasse
keine guatemaltekische Kaffeemischung drin sein.
Die Kinder, die auf den Plantagen Kaffeebohnen ernten,
macht der Lohn für ihre harte Arbeit nicht mal satt.
Dazu kommt, es wird für jede Tasse Kaffee aus entfernten
Weltgegenden, bis sie den Weg zu uns gefunden hat,
Süßwasser badewannenweise virtuell verschwendet,
beim Bohnentrocknen, -schälen, -waschen, -rösten, bis sie dann
als belebendes Getränk in meinen Eingeweiden endet.
Ich weiß nicht, ob ich darauf verzichten will und kann.

(Refrain)

Herr Ober, bitte nur ein Wasser, es ist warm, ich schwitze.
Halt, noch ein Wort zum Thema Trinkwasserverbrauch:
Ein T-Shirt herzustellen, wie das, in dem ich hier sitze,
schluckt schon achttausend Liter Wasser, aber manchmal auch
noch viel mehr. Jetzt sitze ich hier auf der Terasse
an einem Tisch, aus Mahagoni oder Teak gemacht,
aus der sich immer schneller hoch auftürmenden Masse
Tropenholz aus Regenwäldern, wo statt Bäumen über Nacht
Kaffe- und Sojabohnen quasi aus dem Boden schießen.
Pardon, ich wiederhole mich, hab alles längst gesagt.
Sollte mich selbst ändern, muss mich nur dazu entschließen.
Wie schaffe ich es bloß, habe ich mich oft gefragt,
diesem Kreislauf, dieser Falle unauflöslich krasser
Widersprüche, irgendwann für immer zu entgehn?
Fürs erste geh ich mal nach Hause, trinke Leitungswasser,
esse einen Apfel, morgen werden wir dann weiter sehn.

(Refrain)

(Dank an Beate für den Text)

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